Kunstausstellung

Es ist gar nicht so einfach, Xoco zu sein.

Mit Xoco kann man die Langeweile auf neue Weise entdecken. Dieses künstliche Tier aus Leder ist das Zentrum der aktuell laufenden Ausstellung im Fridericianum. Manchmal verbirgt sich hinter dem Kostüm Heinz Neumann.

Kassel - Es ist eher ungewöhnlich zu sehen, dass Xoco seine Heimat des Fridericianums einmal verlässt. Als er für ein Fotoshooting zur Zeitung ins Freie geht, erlebt man hierfür einen solchen Anlass. Einen kurzen Moment lang entfernt sich dieses kunstvolle pelzige Wesen von seinem Zuhause. Normalerweise zeigte Xoco wenig Interesse an neuen Umgebungen; vielmehr fühlte er sich oft eingeengt oder gelangweilt. Seine ausdrucksstarke Miene und sein wirres Fell wecken beim Betrachter fast immer den Wunsch, ihm Trost spenden zu wollen. Unter der warmen Nachmittagssonne auf der Treppe sorgt Xocos Präsenz dafür, dass jeder sie wahrnimmt: Ein Hund schaut interessiert herüber, während eine Dame ihr Telefon hervorholt um Fotos von diesem außergewöhnlichen Geschöpf zu machen. So wird Xoco widerstandslos zum Mittelpunkt der Aufmerksamkeit.

Er wurde von dem Künstler erschaffen. Mario García Torres, dessen Ausstellung momentan im Fridericianum zu sehen ist. . Xoco hat dort eine feste Position, wo er meistens auf dem Boden oder an der Wand entspannt. Ab und zu rührt er sich auch. Es ist total cool, Zeit mit ihm zu verbringen. So viel Spaß hatte das bereits Von vielen Besuchern entdeckt und auf der Suche nach seiner Gesellschaft. .

Sein zu sein, ist definitiv weniger einfach als gedacht. "Es scheint wenig zu sein, doch dahinter verbirgt sich sehr viel mehr", erklärt Heinz Neumann. Als Experte sollte er das wissen. Dieser Mann aus Vellmar gehört mit seinen drei Mitfrauen zu denen, die gelegentlich in Kostümen herumlaufen. In diesen Outfits herrscht besonders Hitze vor. Nachdem Neumann eine vierstündige Schicht hinter sich hat und den Xoco-Kopf abstreift, dampft es bereits. Zum Glück gibt es hierfür einen kleinen Lüfter zur Belüftung. Zudem wird von Xoco selbst keine allzu große Anstrengung verlangt. Seine Bewegungen sind begrenzt. "Sobald der Kopf aufgesetzt ist, fühlt man sich recht hilflos", berichtet Neumann. Dann kann er nur noch etwa 50 cm weit sehen – bis ihm erst einmal geholfen wurde, ins Kostüm zu schlüpfen. Für seinen Einsatz darf er sogar ausschließlich mit dem Lift hinauffahren.

Man glaubt, dass es wenig ist, doch dahinter verbirgt sich sehr viel mehr.

Heinz Neumann

Vom regen Interesse an Xoco bemerkt der 72-jährige Mann im Kostüm kaum etwas. Er hörte häufig Kinder fragen: "Darf ich Xoco streicheln?" Oft setzten sich Menschen zu ihm hin oder legten ihren Arm um ihn herum. Das ist für ihn ein kleiner Trost, besonders wenn es juckt und seine Hände in seinen Pranken gefangen sind.

Etwas ist Heinz Neumann mittlerweile auch zum Xoco geworden. Sobald er das Fridericianum betritt, begrüßen ihn die Mitarbeiter mit den Worten: "Xoco ist hier." Er schätzt ihn sehr und sieht in ihm eine inspirierende Persönlichkeit. Für ihn verkörpert Xoco Werte, die er bewundert. So lernt er etwa daraus, was es bedeutet, vier volle Stunden absolut gar nichts zu tun.

Für den Rentner ist es ganz bestimmt nicht langweilig. Er gehört zu jenen Menschen, die sich kaum zwischen Anfang und Ende entscheiden können. In insgesamt 47 Jahren arbeitete er als Elektroingenieur und verfasste Handbücher, bevor ihm die Welt der Künste begegnete: Am Staatstheater agierte er sowohl als Statist als auch am Participatory-Theater-Projekt Just Plus beteiligt. Zuletzt wurde er im Fridericianum während der Museumsnacht in einem Froschmoden entdeckt. Zu dieser Zeit grüßten ihn die Leute mit dem Spruch „Da ist der Frosch“. Aufgrund seiner Bekanntheit unter dem Namen „der Frosch“ bekam er anschließend eine Einladung für Xoco. „Man wusste, dass mir diese Art von Aktivitäten gefällt“, erklärt er.

Er fand es großartig, von Beginn an beteiligt zu sein. Er schildert die erste Kostümprobenphase und wie ihm Künstler Mario García Torres Details über den Entstehungsprozess mitgeteilt hat. Nach seinem Ruhestand, folgte dem intensiven Engagement bei der documenta-13, erzählte er seiner Tochter einige Geschichten. Dabei wurde auch das Wesen Xoco erwähnt.

Bis Neumann das Xoco-Kostüm wiederträgt und die Langeweile besiegt, vergeht noch etwas Zeit. Die nächste Aufführung steht erst für den Internationalen Museumstag am 18. Mai an. Aufgrund der Beliebtheit von Xoco überlegt sich jedoch das Fridericianum bereits häufiger, ihn lebendiger hinzustellen. (Valerie Schaub)

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