Die Amtszeit von Präsident Trump hat tiefgreifende Spalten zwischen den früher enge verbundenen Partnern USA und Kanada aufgerissen. Schockierend hohe Zollabgaben sowie mehrere Andeutungen, dass Kanada als möglicher 51. US-Bundesstaat angesehen wird, haben in Kanada heftigen Unmut hervorgerufen und eine Diskussion über alternative internationale Bündnisse angefacht. Wollen sie während Trumpherrschaft Teil der USA sein? Diese Vorstellung lehnt Ottawas Regierung entschieden ab. Der kanadische Ministerpräsident Justin Trudeau betonte kürzlich deutlich: Solche respektlosen Aussagen müsse Trump vorbehaltener Gespräche mit Vertretern Kananudas vermeiden.

Bernd Althusmann, Chef des kanadischen Büros der Konrad-Adenauer-Stiftung, bemerkt, dass Trumps hartes Vorgehen gegen Kanada genau das entgegenläuft, was man vielleicht annehmen könnte. "Die Kanadier schließen sich mit Entrüstung zusammen; eine neue Form von Patriotismus vereinigt sie, während amerikanische Produkte teilweise im Handel boykottiert werden", erklärt Althusmann beim Anlass seines Besuches in Brüssel dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). Es wird wahrscheinlich sein, dass Kanada seine wirtschaftliche Ausrichtung eher nach Europa, aber auch hin zu Ländern wie Australien oder Japan verlagert. "Europäer, die ebenfalls unter Zölle leiden, könnten einen bedeutenden Beitrag dazu leisten, indem sie Kanada helfen, seinen Unabhängigkeitsgrad vom USEinfluss weiter auszugestalten und die wirtschaftlichen sowie Sicherheitsbeziehungen zur EU gezielter auszuweiten," fährt er fort.

Derzeit sehen die USA Kanada nicht mehr hauptsächlich als Verbündeten, sondern vielmehr als wirtschaftlichen Rivalen. Besonders enge Bindungen gibt es zwischen beiden Ländern im Bereich Autoindustrie, Rohstoffe sowie Energiewesen. Etwa 70 bis 80 Prozent aller kanadischen Exportgüter gelangen in die USA – eine deutliche Demonstration dafür, wie wichtig der amerikanische Markt für Kanadas Wirtschaft ist. Der verstärkte Handelstreittone zwang das Land dazu, alternative Märkte zu finden. Dies könnte auch für Europa von Nutzen sein, denn Kanada vermarktet einen Großteil seiner Gasreserven außerhalb seines Heimatlands. Allerdings fehlt es an passender Pipelinesinfrastruktur vom Westen zum Osten und an hinreichenden Transportsäulenkapazitäten, sodass praktisch nur noch die benachbarte Nation, also die USA, Empfänger dieses Erdgasses sind. "Das Handelsbilanzenungleichgewicht mit den Vereinigten Staaten, welches Präsident Trump zusammen mit seiner Ansicht zur laxe Einwanderungs- und Drogengesetzgebung als Grundlage für Strafzahlungen angibt, hat seinen Ursprung größtenteils bei den energierelateden Exportaktivitäten Kanda", erklärt Althusmann.

Trump lässt dabei aus, dass die USA das kanadische Gas mit beträchtlichen Profiteindehen nach Europa exportieren – was sie also erheblich vom angeblich unfairen Handelsdefizit profitieren lassen. Der EU-Energiestaatssekretär Dan Jørgensen äußerte bei einem Gespräch mit dem RND seine Offenheit für eine stärkere Zusammenarbeit zwischen der EU und Kanada. Er beschrieb die Kanadier als "gute Freunde" und meinte, es gäbe viele Gebiete zur Zusammenarbeit, darunter die Energiewirtschaft, wo man beispielsweise gemeinsam arbeiten könne. Die Europäische Union hat bereits durch den Comprehensive Economic and Trade Agreement (CETA) ein wirtschaftliches Abkommen mit Kanada unterzeichnet; diese Vereinbarung muss jedoch erst noch von allen Mitgliedsländern genehmigt werden. Bei einer vollständigen Genehmigung würden sich die wirtschaftlichen Verbindungen bedeutend intensivieren.

Inwiefern sich die Kanadier gegenwärtig eher nach Europa richten, obwohl sie mit Washingtons konfrontiertem Weg konfrontiert sind, illustrieren aktuelle Meinungsumfragen: Der Anteil der kanadischen Bürger, welche einen Beitritt zu einer europäischen Union befürworten, liegt zwischen 44 und 45 Prozent. Ex-Außenminister und Vorstandsvorsitzender der Atlantik-Brücke, Sigmar Gabriel, sprach sich bereits dafür aus, dass dieses nördlich amerikanische Land Teil der EU wird. Aber wie wahrscheinlich ist dies wirklich?

Die Sprecherin der EU-Kommission, Paula Pinho, sagte, dass sie bei den Umfrageergebnissen geschmeichelt sei, aber nur „europäische Länder“ könnten Anspruch darauf haben, Mitglied im EU zu werden. Sie zitierte Artikel 49 des Abkommens über die Europäische Union, wo diese Regel verankert ist. Im Jahr 1987 hat Marokko versucht, der EU beizutreten – jedoch ohne Erfolg. Das Grundproblem war, dass dieses Land nicht als „europäisches Land“ angesehen wird. Obwohl es keine klare Definition dafür gibt, welche Merkmale ein Land zum europäischen machen, glauben Experten, dass geographische, historische und kulturelle Faktoren maßgeblich sind. Wenn Kanada dagegen einen Beitrittsantrag stellen wollte, müssten wesentliche Änderungen an den EU-Abkommen vorgenommen werden - was sehr unrealistisch erscheint.

Obwohl man Canada oft als das am stärksten europhilische Land jenseits Europas bezeichnet, betrachten sich die kanadischen Bewohner nicht als Europa-Abkömmlinge, sondern vielmehr als Teil eines mächtigen, freien, hochglobalisierten und toleranten Canadas.

Bernd Althusmann ist Leiter des Kanada-Büros der Konrad-Adenauer-Stiftung.

Nicht nur vom Standpunkt der Geographie her liegt Kanada weit weg von Europa. Es betrachtet sich auch nicht als Teil dieser Kontinentaleinheit, erklärt Althusmann. Obwohl es vielen als das am stärksten eurozentrische Land jenseits Europas erscheint, definieren sich die Kanadier nicht als Europeaner, sondern eher als eine mächtige und unabhängige Nation mit großem Weltoffenheit und Toleranz.

Der EU-Vertreter Joachim Streit aus den Freien Wähler hat jedoch eine andere Meinung dazu. Er betont, wenn "europäische" Perspektiven sowohl politische als auch kulturelle Aspekte beinhalten und nicht nur rein geographisch interpretiert wird, dann sehe er keine unüberwindbaren Hürden für einen Beitritt. Daher ruft er die Europäische Kommission auf, konstruktiv über die eventuelle Aufnahme Kanadas in die Union nachzudenken. Im Rahmen einer formellen Frage möchte er sehen, wie Artikel 49 gedeutet werden könnte, um dies zumindest als Option offen zu halten. „Die EU und Kanada sollten enge Verbündete sein und gemeinsam gegen Herausforderungen vorgehen. Aus diesem Grund empfehle ich der Kommission, die Vorausschau eines möglichen EU-Mitgliedseins durch Kanada zu untersuchen“, teilte Streit dem Rundfunkcorporation mit. Für zahlreiche Bürger Kanaidas ist es evident, dass ihr Vertrauen gegenüber den Vereinigten Staaten geschädigt wurde - sie wollen keinesfalls wieder abhängiger vom Einfluss Washingtons werden, genauso wenig wie Europa das wünscht.

Nicht nur aus wirtschaftlicher Sicht bringt Trump Kanada dem europäischen Kontinent näher, sondern er fördert auch eine stärkere Sicherheitsteamingabe. Innerhalb der NATO setzt sich Kanada nach Aussagen von diplomatischen Kreisen momentan genauso ein wie noch nie, seit Trump Zweifel am US-Beistand im Ernstfall geäußert hat. Aufgrund seiner Position als nordamerikanischer Vertreter genieht Kanada in diesem Bündnis großen Respekt. Dennoch stellen sich mehr und mehr Menschen die Frage, welche Konsequenzen auftreten würden, sollten Trump wirklich versuchen, Kanada mit Zwang zum 51. Bundesstaat zu erklären. Könnte dies sogar zu einem Krieg zwischen Verbündeten führen? Vor kurzem war diese Möglichkeit noch undenkbar.

„Eine militärische Auseinandersetzung zwischen den USA und Kanada ist unwahrscheinlich, doch die US-Regierung wird den wirtschaftlichen und politischen Druck massiv verstärken“, erklärt Althusmann. Er glaubt fest daran, dass Trump bei diesem Vorhaben scheitern wird. „Es ist undenkbar, dass Kanada jemals Teil der Vereinigten Staaten werden könnte, unabhängig davon, wie sehr Trump Druck ausüben mag.“

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